Mit dem Begriff „Nozizeptiver Schmerz“ wird die normale Schmerzreaktion des Körpers auf einen Schmerzreiz bezeichnet. Nozizeptive Schmerzen können die inneren Organe oder Gelenke, Haut, Muskeln, Bindegewebe oder Knochen betreffen. Nozizeption ist die Schmerzwahrnehmung, wobei die Lokalisierung und Empfindung des Schmerzes unterschiedlich sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Was sind nozizeptive Schmerzen?
Die normale körperliche Reaktion auf einen Reiz wie Hitze, Kälte, Druck, Verletzung, Vergiftung oder Entzündung ist der nozizeptive Schmerz. Diese Schmerzen haben eine schützende und warnende Funktion, denn aufgrund des Schmerzempfindens kann reagiert werden – zum Beispiel mit dem Wegziehen der Hand von der heißen Herdplatte. Für die Schmerzwahrnehmung sind die Schmerzrezeptoren verantwortlich – die sogenannten Nozizeptoren. Sie reagieren sensibel auf Reizungen und lassen viszerale oder somatische Schmerzen entstehen: Der Reiz wird von den Schmerzrezeptoren aufgenommen und an das Gehirn über die Nervenbahnen weitergeleitet.
Nozizeption – Eine Erklärung
Der Fachbegriff für die Schmerzwahrnehmung lautet Nozizeption. Für die Gesunderhaltung ist die Wahrnehmung von Schmerzen wichtig, damit auf den Schmerz auslösenden Reiz reagiert werden kann.
Nozizeptoren befinden sich in jedem schmerzempfindlichen Gewebe und enden im Rückenmark. Sie bestehen entweder aus C-Fasern (marklosen Fasern) oder aus Aδ-Fasern (markhaltigen, dünnen Fasern). Die Beschaffenheit der Fasern bestimmt die Schmerzform:
- Nehmen Nozizeptoren aus dünnen, markhaltigen Fasern einen Schmerzreiz auf, ist sofort ein Schmerz zu empfinden, der aber von kurzer Dauer ist. Dieser stechende, helle Schmerz ist gut zu lokalisieren und ist die erste Reaktion auf einen Oberflächenschmerz. In der Regel wird ein Abwehr- oder Fluchtreflex ausgelöst. Damit wird der Betroffene vor dem Schmerzreiz geschützt.
- Nehmen Nozizeptoren aus marklosen Fasern einen Schmerzreiz auf, ist der Schmerz nicht sofort spürbar. Diese Weiterleitung der Schmerzinformation durch die C-Fasern erfolgt langsamer und der Betroffene spürt eine länger anhaltende Schmerzwelle, die als brennend oder dumpf empfunden wird. Meistens kann der Schmerz nicht genau lokalisiert werden.
Nozizeptive Schmerzen werden in somatische Schmerzen und viszerale Schmerzen unterteilt:
Somatische Schmerzen
Diese Schmerzen werden von den Gelenken, den Muskeln, den Knochen, dem Bindegewebe oder der Haut verursacht. Sie sind häufig abhängig von Bewegung oder Druck und werden meist als stechend empfunden. Somatische Schmerzen hängen mit Krankheitsprozessen wie Wunden oder Entzündungen zusammen. Dabei kann es sich um Tiefenschmerzen oder um Oberflächenschmerzen handeln.
Als Tiefenschmerzen werden Schmerzen am Bindegewebe, an den Muskeln, an Knochen oder Knorpeln bezeichnet. Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfe gehören zu den Tiefenschmerzen.
Oberflächenschmerzen sind auf der Hautoberfläche spürbar und erfolgen unmittelbar nach dem erfolgten Schmerzreiz. Ein Quadratzentimeter Haut ist mit fünfzig bis zweihundert Schmerzpunkten bestückt. Nach einem Reiz wie Hitze oder einem Stich erfolgt direkt das Schmerzempfinden.
Viszerale Schmerzen
Die Auslöser von viszeralen Schmerzen sind die inneren Organe. Diese Schmerzen werden als krampfartig, kolikartig, bohrend oder dumpf empfunden. Schmerzen bei einer Gastritis oder Darmkrämpfe sind Beispiele für viszerale Schmerzen.
Schmerzverarbeitung im Gehirn
Der Schmerzreiz wird von den Nozizeptoren aufgenommen, in elektrische Impulse umgewandelt und an das Rückenmark und an das Gehirn weitergeleitet. Die Auslösung der Abwehr- oder Fluchtreflexe geschieht im Rückenmark. Im Gehirn verläuft die Schmerzverarbeitung in verschiedenen Bereichen:
- Die Auslösung vegetativer Körperreaktionen findet im Stammhirn, genauer im Bereich Formatio reticularis, statt. Beispiele für solche Körperreaktionen wären die Auslösung eines Brechreizes oder dem Anstieg des Blutdrucks.
- Die gefühlsmäßige Bewertung eines Schmerzes erfolgt im limbischen System.
- Der somatosensorische Cortex in der Großhirnrinde sorgt für die Lokalisierung des Schmerzes.
Die Reaktion auf einen Schmerzreiz ist individuell unterschiedlich. Die Schmerzwahrnehmung hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist subjektiv. Zum einen ist das Schmerzempfinden mit der Genetik verbunden, wie beispielsweise mit der Verstoffwechselung von Neurotransmittern oder mit der Gewebebeschaffenheit.
Zum anderen spielt aber auch die Psyche eine wesentliche Rolle beim Wahrnehmen und Empfinden von Schmerzen. So kann der Schmerz je nach Erwartungshaltung und Stimmungslage des Betroffenen stärker oder schwächer empfunden werden: Eine positive Stimmungslage und Erwartungshaltung dämpft den Schmerz, während eine negative Erwartungshaltung und Stimmungslage den Schmerz verstärkt.
Durch bildgebende Verfahren lassen sich die unterschiedlichen Hirnaktivitäten in bestimmten Bereichen, besonders im Inselcortex und im anterioren cingulären Cortex (ACC), erkennen. Der ACC ist unter anderem an den Emotionen und der Erwartungshaltung beteiligt. Der Inselcortex spielt eine Rolle für die Wahrnehmung.
Das Schmerzempfinden hängt somit nicht nur von den biologischen, physischen Faktoren ab, sondern auch die Psyche bestimmt über die Schmerzwahrnehmung. Zudem ist ebenso das soziale Umfeld entscheidend für das Schmerzempfinden: Wie wurde oder wird innerhalb der Familie mit Schmerzen umgegangen und auf Schmerzen reagiert?
Bei Kindern – aber auch bei Erwachsenen – wirkt Ablenkung schmerzlindernd, bzw. die Intensität der Schmerzen bleibt niedriger, wenn sich nicht auf den Schmerz konzentriert werden kann.
Forscher der Northwestern Universität Chicago untersuchten die Wirkung auf Schmerzen mittels Ablenkung bei Kindern nach einem operativen Eingriff. Die Kinder in dieser Studie waren zwischen neun und vierzehn Jahre alt. Ein Teil der Kinder hörte etwa dreißig Minuten nach der Operation ein Hörbuch oder deren Lieblingsmusik. Die anderen Kinder gehörten zur Kontrollgruppe und erhielten keine auditive Ablenkung.
Die Kinder, die mit Hörbüchern oder Musik abgelenkt wurden, empfanden ihre postoperativen Schmerzen deutlich geringer als die Kontrollgruppe.
Behandlungsmöglichkeiten
Bei akuten nozizeptiven Schmerzen werden in der Regel Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure eingesetzt. In besonderen Fällen und stets nur kurzfristig werden bei starken nozizeptiven Schmerzen Opioide verschrieben.
Während TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation) bei neurophatischem Schmerz gut wirkt, hat diese Methode bei nozizeptivem Schmerz keine oder nur eine geringe Wirkung.
Grundsätzlich sollten Schmerzen rechtzeitig behandelt werden, damit das Risiko für einen chronischen Verlauf möglichst gering gehalten wird. Nozizeptive Schmerzen können chronisch werden, vor allem nach einer Schädigung des Gewebes. Zu den chronischen nozizeptiven Schmerzen gehören beispielsweise Tumorschmerzen sowie Rückenschmerzen und Entzündungsschmerzen mit chronischem Verlauf.
Behandlung von chronischen nozizeptiven Schmerzen
Bei chronischen Schmerzen ist oftmals keine komplette Beschwerdefreiheit zu erlangen. Die Therapie zielt vielmehr darauf ab, die Schmerzintensität zu verringern und einen anderen Umgang mit den Schmerzen zu erlernen. Im Fokus der Behandlung chronischer nozizeptiver Schmerzen steht die Verbesserung der Lebensqualität, sodass die Betroffenen trotz ihrer Schmerzen möglichst geringe Einschränkungen in ihrem privaten und/ oder ihrem beruflichen Leben haben.
Chronische Schmerzen lassen sich am besten mittels multimodaler Schmerztherapie behandeln. Dabei setzt sich das Behandlungskonzept aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Verfahren zusammen und wird stets individuell auf den Betroffenen abgestimmt. Der nozizeptive Schmerz wird mittels Schmerzmitteln gelindert. Gleichzeitig finden physikalische Therapien, Krankengymnastik und ähnliches statt. Außerdem erlernt der Betroffene durch eine Verhaltenstherapie und durch Entspannungsmethoden, wie er besser mit den Schmerzen umgehen kann.
Bei bereits länger bestehenden chronischen nozizeptiven Schmerzen ist eine multimodale Schmerztherapie in einer Schmerzklinik zu empfehlen. Eine andere Möglichkeit ist die ambulante Therapie bei einem Schmerztherapeuten.
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